Vertrauen - Grundstein der Führung

Meine Hündin hatte bereits in ihrem ersten Lebensjahr so viel durchmachen müssen. Man sagte mir sie sei bereits fast 2 Jahre alt aber das war eine glatte Lüge. Sie wuchs noch um Einiges und war in ihrem Wesen auch noch eher einem Junghund ähnlich als einem fast Erwachsenen. Sie lebte bereits in einer Familie, wurde auf die Straße gesetzt, in die Tötung gebracht, misshandelt und kam auf eine Pflegestelle. Dort lebte sie mehr oder weniger glücklich, bis ich entschied, mein Leben mit ihr zu teilen. Am Anfang war es natürlich schwer, vom Pflegefrauchen Abschied zu nehmen aber schon nach kurzer Zeit folgte sie mir überall hin und schenkte mir ihre Liebe - wie kann das sein ?

Woher nehmen die Hunde ihr Vertrauen und ihre Loyalität ?

Was ich schon lange weiß: das Vertrauen eines Hundes kann man sich nicht erkaufen durch Leckerchen oder Streicheleinheiten. Ebenso wenig durch Liebesbekundungen oder Verwöhnung.

Hunde vertrauen auf Sicherheit, Führungsqualitäten und Weisheit, doch wie erlangt man diese Gaben ? Dazu muss man sich erstmal selbst fragen, was Sicherheit bedeutet. Wann fühlen wir uns sicher ? Nehmen wir einmal jüngere Kinder, die mit ihren Eltern das erste Mal eine Flugreise übernehmen. Die Kinder kennen Flugzeuge und Flughäfen nicht und sind sehr aufgeregt. Sie stoßen auf Menschenmassen, Gedränge und fremde Umgebungen. Die Eltern sind erfahren und wissen mit der Situation umzugehen. Sie gehen entspannt und zielstrebig voraus und die Kinder werden ihnen instinktiv folgen, da sie das Gefühl haben, dass die Eltern genau wissen was geschehen wird und auch keine Angst haben. Was aber, wenn die Eltern selbst aufgeregt sind ? Wenn sie anfangen sich zu streiten, unsicher werden wenn Probleme auftreten usw. ? Die Kinder werden nicht das Gefühl haben, sich tatsächlich auf die Eltern verlassen zu können. Das sorgt für ein Gefühl von Verlorenheit.

Übertragen wir das auf unsere Tiere. Wir Menschen sind erfahren in unserer Welt und wir wissen was uns erwartet. Die Hunde kenne vieles nicht. Nicht etwa da sie minder intelligent sind, sondern einfach weil sie nicht die langjährige Erfahrung machen können. Geraten wir jetzt gemeinsam in eine Situation, in der der Hund unsicher ist wird er uns abfragen. Er wird genau testen wollen, ob wir Herr der Lage sind und uns auskennen. Vermitteln wir nun das Gefühl von Selbstbewusstsein, Ruhe und Zielstrebigkeit, wird sich der Hund uns gerne anschließen und Vertrauen fassen. In der Tierwelt führt nicht derjenige an, der am Stärksten oder am Schnellsten ist, sondern derjenige der die meiste Erfahrung mit sich bringt und Situationen richtig einschätzt.

Vertrauen basiert also auf unseren Fähigkeiten zu führen. Diese Fähigkeiten müssen allerdings erst einmal erprobt werden. Durchsetzungsvermögen gehört auch hierzu. Sind wir nicht in der Lage ruhig zu bleiben, wenn etwas nicht gut läuft, so wirken wir wohl keineswegs vertrauensvoll. Würde ein Chef vieler Angestellter bei jedem Fehltritt Herumbrüllen und die Nerven verlieren wird die Firma keinen Erfolg vorweisen. Findet er jedoch zu jedem Problem rasch eine akzeptable Lösung, so verschafft er sich den Respekt und die Mitarbeit seiner Gruppe.

Unsere Hunde testen uns ebenso, beinahe in jeder Situation. Das ist für sie lebenswichtig. Wir sind oft der Meinung, der Hund müsse funktionieren und sofort tun was wir von ihm verlangen. Klappt das nicht, so kommt schnell ein Gefühl der Ohnmacht und Unsicherheit - im Auge des Tieres eine Schwäche. Stellen wir also Grenzen auf, die der Hund versucht zu durchbrechen ist es sehr gut, nicht schlecht. Die Tiere geben uns die Chance zu beweisen, dass wir fähig sind überlegt und in Ruhe zu handeln und auf unsere Grenze zu bestehen. Reagieren wir unsicher indem wir unsere Grenze verschärfen und harsch reagieren, so erkennt der Hund das ebenfalls als schwach und nicht vertrauenswürdig an. Es ist ein Miteinander und kein Gegeneinander. Die Hunde geben ihr Leben und ihr Schicksal in unsere Hände, da ist es doch das Mindeste herauszufinden, wem sie da diese Macht übertragen und ob derjenige sie auch verdient hat.

Ist der Grundstein des Vertrauens und der Sicherheit gelegt, so braucht man auch nicht für jede Situation ein einstudiertes Verhalten. Wir können wohl kaum erwarten, dass die Tiere nach kaum Jahren Lebenserfahrung in unserer künstlichen menschlichen Welt immer in unserem Sinne handeln. Sie können sich dann aber auf uns berufen wenn sie nicht weiter wissen und sich uns anpassen.

Wir sollten uns also immer selbst die Frage stellen: würde ich einer Person vertrauen, die sich gerade in diesem Moment so verhält wie ich es tue?

Bei Hundetrainern tritt oft das Phänomen auf, dass die Hunde plötzlich ihr Fehlverhalten ablegen und wie verwandelt an der Leine gehen, nicht mehr Bellen o.Ä.. Die Hunde kennen diese Personen nicht. Was sie aber sehen ist ein Mensch der, anders wie seine Besitzer, absolut Herr der Lage ist. Der Trainer weiß was er tut und gibt die Ausstrahlung an das Tier weiter. Diese Überzeugung und Sicherheit gibt dem Hund sofort das Gefühl, sich anschließen und kooperieren zu können. Es wirkt wie Zauberei, ist aber nur gute Beobachtung und Einschätzung unserer Tiere. Daran sieht man auch, wie gerne sie sich anschließen möchten. Sie sind Wesen, die wie wir Menschen in einem sozialen Miteinander leben. Da ist es unabdingbar sich aufeinander verlassen zu können, sonst ist das Überleben gefährdet.

Beobachtet Eure Tiere genau. Reagiert auf sie, wenn sie eure Einschätzung zu Situationen wünschen und gebt ihnen das Gefühl, dass ihr Wisst was Ihr tut. Gerade unsicheren Menschen tut diese Erkenntnis gut, an sich zu arbeiten. Ich selbst war immer wahnsinnig aufgeregt und hibbelig. Ich kam so bei meiner Hündin in unsicheren Situationen nicht weiter. Sie übernahm für mich die Einschätzung und diese schlug fehl. Ich habe gelernt Ruhe zu bewahren und einen klaren Kopf zu behalten. Ich scheute vor Verantwortung und davor Entscheidungen zu treffen, aber mit einem Hund der sich auf einen verlassen möchte geht es nunmal nicht anders. Lieber manchmal vom Gas runtergehen und alles langsam angehen. Kann man selbst Dinge mal nicht einschätzen, so kann man diesen auch entspannt aus dem Weg gehen oder sie sich geduldig ansehen und darüber nachdenken. Hauptsache man schafft Vertrauen, denn Vertrauen ist der Grundstein in jeder Beziehung, auch zu seinem Tier.

 

 

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Energie, Timing und Souveränität - Cesar Millan

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“Die mit dem Hund tanzt”