Vom Pessimist zum “Worst Case” Denker (Stopkonzept)

Es sollte mittlerweile, für alle die meinen Blog verfolgen, klar geworden sein, dass das Stopkonzept weit über ein normales Hundetraining hinausgeht. Dennoch bin ich wieder einmal überrascht worden, was für einen Einfluss dieses Training nicht nur auf die Beziehung zu meinem Hund hat, sondern auch auf das eigene Leben. Es vermittelt einem eine komplett neue Sichtweise und auch Selbstreflexion, durch die man sich entfalten und auch persönlich entwickeln kann.

Der Ausdruck “ Worst Case” fällt in diesem Training doch sehr häufig und dennoch habe ich einige Zeit gebraucht, um ihn gänzlich zu verstehen. Wenn man die Menschen so betrachtet, fallen einem tatsächlich verschiedene Typen auf:

  • Optimist

  • Pessimist

  • Realist

Der Unbedarfte

Was mit Optimist gemeint ist, ist sicherlich nicht schwer zu erraten: ein Optimist geht mit offenen Armen durch die Welt. Für Ihn existieren gar keine negativen Folgen und somit hat er auch keine Angst vor ihnen. Seiner Meinung nach würde so ein Fall gar nicht erst eintreten können. In unserer Welt der Hundebesitzer wäre das Jemand, der seinem Hund alle Freiheit der Welt lässt und nicht einmal den Gedanken daran verschwendet, sein Hund könnte abhauen/Jagen gehen etc. Es kommt ihm einfach nicht in den Sinn und somit ist diese Person auch so gar nicht vorbereitet auf das, was alles passieren kann. Ich selbst habe meinen Hund einmal fast verloren durch diese Gedankenweise. Lucy klebte quasi bei mir und hat es kaum 2s ohne mich ausgehalten. Dennoch entdeckte sie eines Tages beim Spazieren Gehen am Straßenrand einen Hasen und stürmte die Böschung hinab auf die Schnellstraße. Auf ihrem Rückweg war es einfach ein Wunder, dass das Auto sie nicht erwischt hat, es handelte sich bestimmt um Millisekunden und ich war mir sicher, sie für immer verloren zu haben. Diesen Schock habe ich bis heute nicht überwunden und wünsche es auch Niemandem so eine Erfahrung zu machen - aber es kann passieren. Ich war allerdings völlig Handlungsunfähig und kein Training konnte mir in dieser Situation helfen, es war reines Glück.

Der Gezwungene

Ich hielt mich selbst bis vor Kurzem grundsätzlich eher für die Kategorie Pessimist. Wir gehören zu den Menschen die bereits alle möglichen Gefahren auflisten und jederzeit damit rechnen, dass genau das auch eintritt. Man geht quasi schon selbstverständlich davon aus, dass der Hund auf jeden Fall abhauen wird, sich mit anderen Hunden beißt, ausrastet oder sich in Gefahr bringt. Die Leine wird gar nicht erst losgelassen und im aller Besten Fall verlässt man sich auf die Schleppleine, die natürlich jederzeit griffbereit ist. Man schränkt die andere Person bzw. seinen Hund direkt im Vorfeld so sehr ein, dass ein Fehltritt gar nicht erst möglich ist um auch sich selbst zu schützen. Man nimmt natürlich seinem Gegenüber jegliche Luft zum Atmen und dass man jede noch so kleine Lücke für einen Ausbruch nutzt ist selbsterklärend. Besonders wir Frauen neigen dazu, aus Sorge auf Kontrolle zu setzen. Eine richtige Beziehung auf Augenhöhe funktioniert so aber leider nicht, weder beim Hund, noch beim Mensch.

Der Freie

Was also ist jetzt ein “Worst Case” Denker, zu denen ich mich langsam zählen darf ? Dies ist ein absoluter Realist in seiner Denkweise. Man erwartet nichts, ist sich aber darüber bewusst, was im Schlimmsten Fall, das ist der “Worst Case”, passieren könnte. Allerdings ist man hierauf vorbereitet und kann diesbezüglich handeln. Dafür erlernen wir ein absolut sicheres und unterbewusst abspulbares Signal, vergleichbar mit dem unterbewussten Bremsen bei Gefahrensituationen im Auto, um den Hund aus jeder denkbaren Situation heraus stoppen zu können. Da wir nun die Gewissheit haben, selbst im aller Schlimmsten Fall handlungsfähig zu sein, brauchen wir keine Kontrolle und auch keine Angst mehr zu haben. Wir brauchen keine Ausreden mehr für zu viel Freiheit und auch kein Einschränken Dergleichen. Man kann locker und selbstsicher sein und dem Gegenüber erlauben, sich auszuprobieren und einzubringen. Ein “Worst Case” Denker ist auf alles vorbereitet und ist dazu befähigt zu führen, denn wahre Führungsqualität bedeutet, sich auf neue Situationen einstellen zu können, und trotzdem Handlungsfähig zu sein.

Lebt man mit dieser neuer Erkenntnis, so fällt etwas von einem ab. Eine schwere Last, die irgendwie da war, man aber nicht definieren konnte. Man fühlt sich frei und man kann die gemeinsame Zeit endlich so genießen, wie es auch sein soll. Es lohnt sich diesen Weg zu gehen und auch wenn es manchmal schwer ist, so bin ich unendlich dankbar für jede neue Erkenntnis und die neuen Chancen die sich mir dadurch bieten.



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“Ich” und nicht “Wir”

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Archetypen der Hunde - Lucy